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Ausbau bedeutet nicht Einsparung

Im Jahr 2023 hat die Welt erstmals eine Jahresdurchschnittstemperatur erreicht, die um ca. 1,5°C höher lag als in vorindustrieller Zeit (6). Es ist offensichtlich, dass wir es extrem eilig haben, den Ausstoß von Treibhausgasen massiv zu reduzieren. Tirol setzt für die Umsetzung seiner Energiestrategie nach wie vor stark auf Wasserkraft und der Ausbau des Kraftwerks Kaunertal ist ein zentraler Punkt in der Klimastrategie des Landes (11, S.31).

Die TIWAG argumentiert, der Ausbau der Wasserkraft sei notwendig, um die Energiewende zu schaffen. Dabei ist die Idee, dass erneuerbar erzeugter Strom fossile Energieträger ersetzen soll. Der Ausbau des KW Kaunertal z.B. solle „300.000 Tonnen CO2 jährlich“ sparen (14).

Wie auch der Landesrechnungshof 2023 kritisch bemerkt hat, bedeutet aber der reine Ausbau der Wasserkraft noch nicht die Reduktion von Treibhausgasen ((10), S. 25). Und nur um die geht es ja – wir müssen weniger CO2 ausstoßen. Wie steht es also um die Klimaziele Tirols?

Klimaziele EU und Tirol

Die EU Klimaziele sehen vor, dass die EU bis 2050 „klimaneutral“ wird, also netto keine Treibhausgase mehr ausgestoßen werden (1). Das aktuelle Zwischenziel ist es, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55% im Vergleich zu 1990 zu senken (2). Die TIWAG begründet ihren Wasserkraftausbau immer mit den Tiroler Klimazielen, die aus denen der EU abgeleitet sind. Sie lauten:

  • Bis 2050: „Energieautonomie“ – Tirol soll seinen Energiebedarf netto selbst und aus erneuerbaren Quellen decken (das eigentliche Ziel der CO2 Einsparung, ist hier nur indirekt enthalten). Dafür soll der Energiebedarf in Tirol bis 2050 im Vergleich zu 2016 um 37% gesenkt werden (3) und die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energieträgern ungefähr verdoppelt werden.
    Im Jahr 2017 war das Energie-Einsparziel noch „-50% bis 2050 im Vergleich zu 2005“ (4, S.16, Abb. 4), im Jahr 2018 war es dann auf „-37% im Vergleich zu 2016“ (5, S. 9) geändert worden. Der Energiebedarf Tirols ist aber zwischen 2005 und 2016 gleich geblieben – das Einsparziel wurde also verringert.
  • Bis 2020: Das erste Zwischenziel der Energiestrategie 2050 war die Stabilisierung des Energieverbrauchs auf dem Niveau von 2005 und Reduktion der Treibhausgasemissionen um 16% (7, S. 43).
Energie Ziel Szenario Tirol 2050

Die zwei Säulen der Tiroler Energiestrategie 2050 sind also:

  • Ausbau der erneuerbaren Energieerzeugung, mit dem Ziel der Verdoppelung bis 2050. Insbesondere gibt es einen Beschluss der Tiroler Landesregierung von 2011, wonach die Wasserkraft zwischen 2011 und 2036 um 2,8 Terawattstunden (TWh) Jahreserzeugung ausgebaut werden soll ((12), S. 25).
  • Die 37% Energieeinsparung bis 2050 bedeuten für die einzelnen Sektoren jeweils: Gebäudesektor minus 31%, Produktionssektor minus 7% und Mobilitätssektor minus 65% Endenergieeinsatz bis 2050.

Energieproduktion Tirols

Im Jahr 2021 erzeugte Tirol fast 13 TWh Energie. Davon machte die Wasserkraft genau 50% aus (11, S. 86). An der Stromproduktion hat die Wasserkraft in Tirol einen Anteil von ca. 95% (13). Über die letzten Jahre nahm die Erzeugung in Tirol insgesamt zu, wie die folgende Abbildung zeigt. Insgesamt werden in Tirol knapp 48% des gesamten Energieverbrauchs durch Erneuerbare gedeckt, damit liegt Tirol noch deutlich über dem Österreich-Schnitt (9, S.52).

Erzeugung Energie Tirol 2021

Energiemonitoring 2022

Energie einsparen?

Einmal im Jahr wertet die zuständige Landesagentur aus, wo Tirol auf seinem Zielpfad steht. Das Energiemonitoring 2022 (11) wurde im Herbst 2023 veröffentlicht. Die zentrale Aussage lautet:

Der Endenergiebedarf Tirols lag 2021 mit 24.162 GWh um 5,6% über dem Vorjahreswert sowie um 1,4% über dem Wert des Referenzjahres 2005.“ (11, S. 12)

Das bedeutet, obwohl Tirol ursprünglich das Ziel hatte, seinen Energiebedarf bis 2020 im Vergleich zu 2005 zu stabilisieren, steigt er. Und zwar wieder, denn zwischen 2005 und 2010 war er zunächst gesunken und steigt seit dem kontinuierlich an. Im Jahr 2016 war der Energieverbrauch Tirols zurück auf den Wert von 2005 gestiegen.

Der Energiebedarf wird auch im Monitoring in die 3 Sektoren Gebäude, Mobilität und Produktion unterteilt. Der Sektor mit dem größten Verbrauch im Jahr 2021 ist Gebäude mit ca. 46%, gefolgt von Mobilität mit ca. 33% und Produktion mit 21%. Die Auswertung der Entwicklung dieser drei Sektoren ergab:

  • Produktion: Zwischen 2005 und 2021 reduzierte sich der Energiebedarf um 22,4%. Dieser Sektor übertrifft zur Zeit also die Ziele, denn das Ziel bis 2050 ist „minus 7%“.
  • Mobilität: Zwischen 2005 und 2021 reduzierte sich der Bedarf um 1,8% – allerdings ist der Zielwert minus 65% bis zum Jahr 2050.
  • Gebäude: „Der Endenergieeinsatz im Sektor Gebäude nahm 2021 auf 11.158 GWh stark zu. Zwischen 2005 und 2021 stieg der Bedarf in diesem Bereich um 21,2% bei einem Zielwert von minus 31% bis zum Jahr 2050.“ (11, S. 13)

Insgesamt kann man also sagen, dass es beim Thema Einsparen in Tirol noch nicht so gut läuft. Und die zweite Säule der Strategie, der Ausbau?

Erneuerbare ausbauen!
Wasserkraft

Im Energiemonitoring Bericht 2022 heißt es zur Wasserkraft: „Der Wasserkraftausbau schreitet voran. Zwischen 2011 und 2023 konnte das Regelarbeitsvermögen um 901 GWh/a auf 7.580 GWh/a gesteigert werden. Um das Landes-Ziel von ca. 9.500 GWh/a im Jahr 2036 erreichen zu können, sind neben den in Bau befindlichen und bekannten Wasserkraftprojekten noch weitere Projekte in einem Umfang von rund 500 GWh umzusetzen.“ (11, S. 12) Beim Ausbau der Wasserkraft ist Tirol also nach wie vor engagiert dabei. Der Plan bis 2036 beinhaltet übrigens auch schon den Ausbau KW Kaunertal, denn das sollte ursprünglich jetzt längst im Bau sein (8).

Photovoltaik

„Der Ausbau von Photovoltaik-Anlagen schreitet stark voran. Die installierte Leistung lag 2022 um 35% über dem Vorjahreswert – die Erzeugung betrug 2022 geschätzt rund 220 GWh.“ (11, S. 13). Klingt gut – man behalte aber im Kopf, dass im Jahr 2021 die Photovoltaik nur ca. 2% zu Tirols Stromproduktion beigetragen hat (13).

Wärmepumpen

„Immer mehr Wärmepumpen werden in Tirol in Betrieb genommen, […]. Eine Grobabschätzung kommt zu einer Gesamtzahl von rund 18.300 Anlagen mit einer durchschnittlichen Erzeugung von je 19.700 kWh/a.“ (11, S. 13).

Biogas

„Nachdem in zwei Anlagen die Stromproduktion eingestellt wurde, werden aktuell noch sieben Biogas-Anlagen mit Gasverwertung in einem BHKW betrieben.“ (11, S. 13). Dies war zuletzt also rückläufig.

Fossile Energieträger

Zum Gasverbrauch stellt der Bericht fest: „Der Erdgasbedarf steigt über die gesamte statistische Reihe stark an. 2021 wurden 4.018 GWh Erdgas importiert. […] Das Erdgasnetz wurde 2022 um rund 36 km auf aktuell 4.218 km ausgebaut.“ (11, S. 13).

Tiroler Energiemonitoring 2022: Endenergieeinsatz nach Energieträgergruppen.
Tiroler Energiemonitoring 2022: Endenergieeinsatz nach Energieträgergruppen.
Treibhausgasbilanz

Die Treibhausgas-Emissionen Tirols haben zwischen 1990 und 2020
um 5,1 % auf 4,4 Mio. t CO2-Äquivalent zugenommen (11, S.113). Von dem EU Ziel, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55% im Vergleich zu 1990 zu verringern, ist Tirol also weiter entfernt als jemals.

Fazit

Tirol kann bereits knapp die Hälfte seines Energieverbrauchs durch Erneuerbare decken. Es produziert 100% seines Stromes selbst & erneuerbar, und dabei seit mehr als 10 Jahren stabil sogar ca. 10% mehr, als es verbraucht. Gleichzeitig verfolgt es zielstrebig den Ausbau der Erneuerbaren, nach wie vor mit einem Fokus auf die Wasserkraft. Und dennoch verfehlt es die EU Klimaziele! Der Treibhausgas Ausstoß nimmt seit 30 Jahren zu, dabei sollte er sinken, um bis 2030 die minus 55% zu erreichen.

Die erneuerbar produzieren Gigawattstunden ersetzen also nicht die fossilen Energieträger, sondern werden zusätzlich verbraucht. Das Argument der TIWAG, man müsse die Wasserkraft ausbauen, damit Tirol seine Klimaziele erreichen kann, ist also scheinheilig: Wir brauchen einen Fokus auf Energiesparmaßnahmen.

Quellen & Links

  1. (1) https://climate.ec.europa.eu/eu-action/climate-strategies-targets/2050-long-term-strategy_en
  2. (2) https://climate.ec.europa.eu/eu-action/european-climate-law_en
  3. (3) https://www.tirol2050.at/unser-ziel/szenarien/
  4. (4) https://www.tirol.gv.at/fileadmin/themen/umwelt/wasser_wasserrecht/Downloads/19-03-25_ENERGIEMONITORING-2017.pdf
  5. (5) https://www.tirol.gv.at/fileadmin/themen/umwelt/wasser_wasserrecht/Downloads/19-12-18_ENERGIEMONITORING-2018.pdf
  6. (6) https://wmo.int/media/news/wmo-confirms-2023-smashes-global-temperature-record
  7. (7) https://www.global2000.at/sites/global/files/Klima-Bundeslaender-Report-2020.pdf
  8. (8) https://www.tt.com/artikel/9513439/vwgh-schmetterte-tiwag-revision-rund-um-kraftwerk-kaunertal-ab
  9. (9) file:///home/marieke/Downloads/BMK_Energie_in_OE2023_barrierefrei-3.pdf
  10. (10) https://www.tirol.gv.at/fileadmin/landtag/landesrechnungshof/downloads/berichte/2022/Klimaschutz-_und_Klimawandelanpassungsstrategie.pdf
  11. (11) https://www.tirol.gv.at/fileadmin/buergerservice/kundmachungen/wasserrecht/2023/23-10-30_ENERGIEMONITORING-2022-FINAL-MIT-FLUSSBILDERN.pdf
  12. (12) https://www.uibk.ac.at/bauphysik/forschung/projects/tirol2050/21-08-27_bericht-szenarien-2050-und-2040-final.pdf
  13. (13) https://www.tiroler-umweltanwaltschaft.gv.at/naturschutz/positionen/tiroler-fliessgewaesser-unter-strom/
  14. (14) https://www.tiwag.at/unternehmen/unsere-kraftwerke/ausbauvorhaben/ausbau-kaunertal/

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