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Die versteckten Emissionen der Wasserkraft – wie Wasserkraft die Klimakrise antreibt

Wasserkraft wird oft als umweltfreundliche Energiequelle angepriesen, aber die Realität sieht komplexer aus. In diesem Blogbeitrag werden wir die negativen Auswirkungen von Wasserkraftanlagen auf die CO2- und CH4-Ausgasungen in den Alpenländern beleuchten und wie diese zur Klimakrise beitragen. Durch die Betrachtung von Daten und wissenschaftlichen Erkenntnissen werden wir die verborgenen Emissionen der Wasserkraft aufdecken.

Gastbeitrag

Unser Autor DI Martin Dalvai-Ragnoli forscht am Institut für Ökologie der Universität Innsbruck zu Methan Emissionen aus Gewässern.

Wasserkraft und CO2-Emissionen

Beim Bau einer Wasserkraftanlage werden enorme Mengen an Beton und Stahl benötigt. Die Herstellung dieser Rohstoffe ist sehr energieintensiv und erfordert die Verbrennung von fossilen Brennstoffen, insbesondere Kohle und Erdgas, was wiederum zu erheblichen CO2-Emissionen führt. Für eine vollständige Ökobilanz von Wasserkraftwerken müssen außerdem zusätzlich zu den Emissionen, die während des Baus entstehen, auch die Zunahme der Emissionen aufgrund der Landüberflutung durch Stauseen berücksichtigt werden. Oftmals werden diese Emissionen nicht oder nur unvollständig berücksichtigt, wodurch die Wasserkraft als umweltfreundlicher dargestellt wird als sie tatsächlich ist1.

Tatsache ist, dass die Überflutung von Land für Stauseen den CO2 Haushalt des gefluteten Ökosystems verändert. Denn durch die Rodung von Wäldern und der Überschwemmung von Tälern wird nicht nur das Landschaftsbild verändert, sondern es wird außerdem eine Landschaft die CO2 speichert (Senke genannt) umgewandelt in eine Quelle für Treibhausgase. Die überfluteten Landschaften bestehen meistens aus einem Mosaik aus verschiedenen Lebensräumen wie Wälder, Wiesen, Moore öder Äcker. Diese terrestrischen Landschaften sind dabei meist eine Senke für CO2: Denn die Pflanzen der Wälder und Wiesen speichern durch Photosynthese CO2 im Boden. Wenn diese Landschaften überflutet werden, kann nicht nur kein CO2 mehr gespeichert werden – zusätzlich wird das im Boden gespeicherte organische Material unter Wasser zersetzt und als CO2 oder CH4 an die Atmosphäre abgegeben. Da dieses organische Material ohne die Überflutung für mehrere Jahrzehnte im Boden gespeichert würde, sind diese Emissionen eine direkte Folge der Wasserkraft2. Wissenschaftler*innen haben gezeigt, dass als direkter Folge der Überflutung mehrere Tonnen von gespeichertem CO2 mobilisiert und an die Atmosphäre abgegeben werden3 und dadurch die Emissionen von Stauseen für rund 100 Jahre deutlich erhöht sind2. Besonders in den ersten 15-20 Jahre nach der Überflutung sind Treibhausgasemissionen aus Staubseen besonders hoch2. Das heißt wiederum, dass ältere Stauseen bereits weniger Emissionen verursachen, aber die Schaffung Neuer besonders klimaschädlich ist.

Wissenschaftliche Studien zeigen, dass, wenn diese Emissionen mit einbezogen werden, einige Wasserkraftwerke pro Kilowattstunde produzierte elektrische Leistung ähnlich viel CO2 produzieren wie Gas- und Kohlekraftwerke1.

Neben den direkten Emissionen während des Stauseebaus und der Zunahme an Emissionen aufgrund der Landüberflutung sind auch indirekte Effekte zu beachten. Die Schaffung von Wasserkraftreservoirs verändert die Hydrologie eines Gebiets und kann die Umwelt in vielfältiger Weise beeinflussen. So kann der veränderte Wasserfluss auch das Ökosystem stromabwärts stören, was zu weiteren CO2-Emissionen führen kann, wenn zum Beispiel Wälder oder Feuchtgebiete vernichtet oder trockengelegt werden.

Stauseen als Methan Hotspots

Staudämme sind zusätzlich Emissions-Hotspots für Methan4. Methan ist als Treibhausgas 30-mal stärker als CO2, wodurch die Freisetzung besonders klimaschädlich ist5. Wissenschaftler*innen haben Stauseen unlängst als bedeutende Quellen von Treibhausgasen identifiziert und konnten 5.2% der weltweiten von Menschenhand verursachten Methan Emissionen der Ausgasung aus Stauseen zuordnen6.

Die Methanproduktion in Stauseen ist ein komplexer Prozess, der von verschiedenen Faktoren abhängt. Die Art der organischen Materialien, die Temperatur und die Zusammensetzung der Sedimente spielen dabei eine Rolle. Die Forschenden haben festgestellt, dass die Stauung von Flüssen durch Staudämme und Wehre dazu führt, dass große Mengen organisches Material gesammelt werden. Unter anaeroben Bedingungen (d.h. in Abwesenheit von Sauerstoff) beginnt dieses organische Material in tiefen, bodennahen Wasserschichten zu verrotten, wodurch Methan freigesetzt wird 4,7. Das im Sediment entstandene Methan steigt in Gasblasen auf und gelangt dadurch ungefiltert in die Atmosphäre.

Eine frühere Annahme, dass nur Stauseen in tropischen Gebieten bedeutende Mengen Methan freisetzen, wurde durch Studien an einem alpinen Stausee in der Schweiz widerlegt. Denn die Autor*innen der Studie konnten aus dem Wohlen Stausee in der Nähe von Bern die höchsten Methan Emissionen nachweisen, die je aus Stauseen ins unseren Breitengraden gemessen wurden8. Somit ist zu erwarten, dass auch Stauseen in den Alpen bedeutende Mengen Methan freisetzte. Studien dazu sind aber noch ausständig.

Ausgasung an den Turbinen

Es gibt sogar eine Emissionsart, die ausschließlich an Stauseen auftritt die für die Energiegewinnung verwendet werden: die Ausgasung an den Turbinen. Zur Energieproduktion wird hauptsächlich Wasser aus tiefen Wasserschichten entnommen. In diesem Tiefenwasser ist meistens Methan in sehr hohen Konzentrationen gelöst. Der Grund dafür ist einerseits der hohe Wasserdruck, der es ermöglicht, dass mehr Methan gelöst ist als im Wasser in Oberflächennähe; und andererseits, dass in eben diesen tiefen Wasserschichten in Bodennähe die Methanproduktion besonders hoch ist. Unter normalen, natürlichen Umständen, erreicht das in tiefen Wasserschichten gelöste Methan die Atmosphäre nicht. Werden nun aber diese tief liegenden Wasserschichten in die Turbinen geleitet, sinkt der Druck auf das Wasser schlagartig – und mit ihm die Löslichkeit: das Methan entweicht in die Atmosphäre.2, 9.

Lokale Erwärmung durch die „Albedo-Klimastrafe“ von Speicherseen

Wenn große Flächen Land überflutet werden, verändert sich das Rückstrahlungsvermögen dieser Flächen. Eine Wärme-reflektierende Landmasse, wird dabei durch eine Wärme-speichernde Wassermasse ersetzt. Denn die neu erschaffene Wasseroberfläche besitzt eine niedrigere Albedo als die zuvor vorherrschende terrestrische Oberfläche. Die Albedo ist ein Maß für reflektierende Eigenschaft einer Oberfläche und bestimmt wie sehr sich eine Oberfläche durch die einfallende Sonnenenergie erwärmt. Helle Oberflächen – wie Schnee – haben eine hohe Albedo, und reflektieren einen Großteil des einfallenden Sonnenlichts, während dunkle Oberflächen – wie Asphalt – eine niedrige Albedo haben und Sonnenlicht absorbieren und als Wärme speichern. Wenn nun die Albedo aufgrund der Überflutung der Landmassen reduziert wird, wird mehr Sonnenlicht absorbiert was wiederum zu lokalen Erwärmungseffekten führt, die das lokale Klima negativ beeinflussen. Wissenschaftler*innen verwenden in Bezug auf Stauseen den Begriff „Albedo-Klimastrafe“, um die negativen Auswirkungen der Überflutung auf das Klima zu beschreiben10. Obwohl Wissenschaftler*innen betonen, dass es wichtig wäre den Albedo-Effekt bei der Planung und Bewertung von Wasserkraftprojekten zu berücksichtigen, wird dieser bisher nicht ausreichend in Betracht gezogen, wenn die Auswirkungen von Wasserkraftprojekten auf das Klima bewertet werden10.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Wasserkraftanlagen trotz ihrer Rolle als erneuerbare Energiequelle nicht nur erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben können, sondern insbesondere auch auf CO2-Emissionen und das Klima. Der Bau und Betrieb solcher Anlagen führen zu direkten und indirekten Emissionen von Treibhausgasen wie CO2 und Methan. Die Landüberflutung durch Stauseen verändert Ökosysteme, führt zur Freisetzung von gespeichertem CO2 und begünstigt die Produktion von Methan. Darüber hinaus werden lokale Erwärmungseffekte durch die „Albedo-Klimastrafe“ verstärkt.

Es ist wichtig, diese Auswirkungen vollständig zu verstehen und zu berücksichtigen, um eine fundierte Bewertung der Umweltverträglichkeit von Wasserkraftprojekten vorzunehmen. Dies erfordert eine umfassende Ökobilanz, die sowohl die direkten als auch die indirekten Effekte der Wasserkraftnutzung auf das Klima und die Umwelt einschließt. Leider wird eine umfassende Ökobilanzen von der Politik meistens nicht verlangt und Wasserkraftbetreiber versäumen es, alle Auswirkungen der Wasserkraft auf das Klima mit einzubeziehen. Dadurch entsteht der irrtümliche Glaube, Strom aus Wasserkraft sei klimaneutral. Da Wasserkraftbetreiber aus freien Stücken keine umfassende Ökobilanz erbringen werden, liegt es an der Politik dies einzufordern. Nur unter Anbetracht aller Emissionen, kann für die Energieversorgung in der Zukunft auch tatsächlich nachhaltig gestaltet werden.

Quellen & Links

1. Levasseur, A., Mercier-Blais, S., Prairie, Y. T., Tremblay, A. & Turpin, C. Improving the accuracy of electricity carbon footprint: Estimation of hydroelectric reservoir greenhouse gas emissions. Renew. Sustain. Energy Rev. 136, 110433 (2021).

2. Prairie, Y. T. et al. Greenhouse Gas Emissions from Freshwater Reservoirs: What Does the Atmosphere See? Ecosystems 21, 1058–1071 (2018).

3. Prairie, Y. T. et al. A new modelling framework to assess biogenic GHG emissions from reservoirs: The G-res tool. Environ. Model. Softw. 143, 105117 (2021).

4. Maeck, A. et al. Sediment trapping by dams creates methane emission hot spots. Environ. Sci. Technol. 47, 8130–8137 (2013).

5. Saunois, M. et al. The Global Methane Budget 2000-2017. Earth Syst. Sci. Data Discuss. 1–138 (2019) doi:10.5194/essd-2019-128.

6. Soued, C., Harrison, J. A., Mercier-Blais, S. & Prairie, Y. T. Reservoir CO2 and CH4 emissions and their climate impact over the period 1900–2060. Nat. Geosci. 15, 700–705 (2022).

7. Bednařík, A., Blaser, M., Matoušů, A., Hekera, P. & Rulík, M. Effect of weir impoundments on methane dynamics in a river. Sci. Total Environ. 584585, 164–175 (2017).

8. Delsontro, T., Mcginnis, D. F., Sobek, S., Ostrovsky, I. & Wehrli, B. Extreme methane emissions from a swiss hydropower Reservoir: Contribution from bubbling sediments. Environ. Sci. Technol. 44, 2419–2425 (2010).

9. Deemer, B. R. et al. Greenhouse gas emissions from reservoir water surfaces: A new global synthesis. BioScience vol. 66 949–964 (2016).

10. Wohlfahrt, G., Tomelleri, E. & Hammerle, A. The albedo–climate penalty of hydropower reservoirs. Nat. Energy 6, 372–377 (2021).

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