Platzertal-Drohne (c) Harry Putz
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Auswirkungen des Klimawandels auf die Wasserkraft in den Alpen, Österreich & Tirol

In den vergangenen Jahren zeigten sich immer mehr die drastischen Auswirkungen des Klimawandels auf verschiedene Gebiete weltweit. In den Alpen führt die Klimaerwärmung zu einem starken Rückgang von Gletschern und Schnee, zu einem Verlust von Permafrost, zu einer vermehrten Gefahr von Naturgefahren, zu einer Verschiebung von Ökosystemen sowie zu Niederschlagsextremen und Trockenphasen. In diesem Blogbeitrag beschäftigen wir uns mit den Auswirkungen des Klimawandels auf den Wasserhaushalt und mit den daraus resultierenden Folgen für die Wasserkraft in Österreich, mit besonderem Fokus auf Tirol und das Ötztal.

Die Stromproduktion durch Wasserkraft hängt vor allem von der Zuverlässigkeit und der Menge des Wassers in den Flüssen ab (7, S. 128). In den Alpen werden das Abflussgeschehen und der Wasserkreislauf außer durch Regen auch noch bedeutend durch die Schnee- und Gletscherschmelze beeinflusst. Der Anteil des Abflusses, der aus der Gletscherschmelze resultiert, wird als „Gletscherspende“ bezeichnet (2, S. 29).

Am meisten Strom liefert die Wasserkraft in den Sommermonaten, wenn die Flüsse viel Wasser führen. Je nach Höhenlage verändert sich aber die Verteilung des Jahresabflusses. Während die abflussreichsten Monate im Tiefland bereits zu Beginn des Frühjahrs liegen, treten die Abflussmaxima mit zunehmender Höhenlage später auf. In höheren Lagen fallen die Abflussmaxima von Fließgewässern aufgrund der Eis- und Schneeschmelze in die Sommermonate (4, S. 482). Je größer der flächenmäßige Anteil der Vergletscherung im Einzugsgebiet der Gewässer ist, desto bedeutender ist die Eisschmelze für die jeweiligen Fließgewässer. Das Einzugsgebiet der Ötztaler Ache gemessen am Pegel Huben ist beispielsweise zu 17% vergletschert und der Anteil der Eisschmelze ist hier knapp 27%. Weiter unten am Inn in Innsbruck ist der Anteil von Gletscherfläche am Einzugsgebiet insgesamt nur noch 4% und der Anteil der Eisschmelze am gesamten Abfluss auch nur noch ca. 8% (siehe Tabelle). Je mehr schmelzendes Gletschereis ein Fluss in seinem Einzugsgebiet hat, desto mehr „Sommerzuschuss“ erhält er zur Zeit. Es macht also einen großen Unterschied, ob wir die Auswirkungen des Klimawandels auf einen Gebirgsfluss oder die Donau betrachten – und auch wann wir ihn betrachten.

Wie verändern sich die Niederschläge und Abflüsse in den Alpen durch den Klimawandel?

Laut Geosphere Austria verschieben sich die Niederschläge in den Alpen tendenziell vom Sommer in den Winter und bleiben dabei über ein Jahr und die gesamte Alpenregion gemittelt in etwa gleich. Die TIWAG rechnet für Tirol in der Periode 2071 – 2100 mit einer Gesamtzunahme (Winter und Sommer zusammen) der Niederschläge um knapp 5% (+2,3°C Szenario) (9, S. 14). Allerdings braucht es laut Geosphere Austria eine Zunahme der Niederschläge um ca. 7% pro Grad Erwärmung, um die temperaturbedingte höhere Verdunstung auszugleichen und den Wasserkreislauf in seiner gegenwärtigen Balance zu halten – also in dem Fall ca. 16% mehr. Demnach bedeuten in etwa gleich bleibende bzw. leicht zunehmende Niederschläge nicht, dass auch die Abflüsse gleich bleiben. Recht eindeutig wird jedenfalls das Wasserdargebot im Sommer abnehmen, durch insgesamt abnehmende Niederschläge, durch längere Trockenperioden und durch höhere Verdunstung.

Temperaturerhöhungen führen dazu, dass winterliche Niedrigwasserperioden durch die frühere Schneeschmelze und die tendenziell zunehmenden Winterniederschläge seltener und sommerliche Niedrigwasserperioden durch Trockenphasen häufiger auftreten (6, S. 27). Für die Wasserkraft könnte dies mehr Stromproduktion als bisher im Winter bedeuten. Ob dies allerdings den erwarteten Rückgang im Sommer ausgleichen kann, ist sehr fraglich – für das Ötztal betrachten wird das weiter unten im Text.

Tirols Gletscher-Bonus

Zur Zeit erhalten die Flüsse in Tirol, die Gletscher in ihrem Einzugsgebiet haben, im Sommer Wasser aus der Gletscherschmelze. Schmelzen die Gletscher infolge der fortschreitenden Erwärmung komplett ab, werden Fließgewässer in trockenen Hochsommerphasen nicht mehr durch diese Gletscherspenden bezuschusst. Dann hängen die Abflüsse auch hier überwiegend von den immer stärker schwankenden Niederschlägen ab (2, S. 30), also zunehmend von Regen (5, S. 324). Durch die tendenzielle Abnahme der Niederschläge im Sommer verringern sich jedoch auch die niederschlags-induzierten Abflüsse im Sommer (1, S. 36).

Im Sommer 2022 beispielsweise berichtete Der Standard, dass die Stromproduktion der Österreichischen Wasserkraft im Juli ’22 wegen der langen Hitze- und Trockenperiode um 31% zurückgegangen war (12). Dabei blieb Tirol noch österreichweiter Spitzenreiter bei der Stromeinspeisung mit „nur“ 22% weniger als im Vormonat. Wien und Niederösterreich dagegen mussten sehr viel importieren. Noch scheinen also Schnee- und Gletscherschmelze in Tirol viel Sommertrockenheit abzufedern zu können.

Für die kommenden Jahrzehnte (2021 bis 2050) wird durch den Rückgang der Gletscher und die Gletscherschmelze infolge der steigenden Temperaturen sogar eine Zunahme der Abflüsse in alpinen Fließgewässern im allgemeinen prognostiziert. Dadurch ergeben sich eher günstigere Bedingungen für die Stromerzeugung mit Wasserkraft, da die Kraftwerke vorerst von den höheren Abflüssen infolge der Gletscherschmelze profitieren (2, S. 32). Die Prognosen, wann das Maximum der durch die Gletscherspende erhöhten, Energieerzeugung aus Wasserkraft in Österreich erreicht wird, unterscheiden sich je nach Quelle von 2040-2050 (1, S. 36) bis 2050-2070 (2, S. 33). Für das Ötztal errechnete eine Studie für die drei modellierten Klimaperioden 2010 – 2039, 2040 – 2069 und 2070 – 2099 an den Pegeln Vent (Venter Ache) und Obergurgl (Gurgler Ache) jeweils eine minimale Zunahme der Sommerabflüsse für die erste Periode und jeweils sehr kleine Zunahmen der Abflüsse im Winter und starke Abnahmen der Abflüsse im Sommer für die zweite und dritte Periode (10, S. 31). Für den Pegel Huben wurde zwar jeweils eine stärkere Zunahme im Frühling berechnet, allerdings auch hier umso deutlichere Abnahmen im Sommer. Die genaue Auswirkung der Klimakrise wird im Detail für jedes Einzugsgebiet einzeln zu bewerten sein. Für das Ötztal deuten die Ergebnisse darauf hin, dass die „erhöhte Abflussspende“ der Gletscher in den nächsten Jahren und die „Verschiebung der Niederschläge in den Winter“ das zukünftige Minus an Wasser in den Flüssen insgesamt nicht aufwiegen können.

Nach dem kompletten Abschmelzen der Gletscher entfallen die zusätzlichen Gletscherspenden schließlich und die Stromerzeugung durch Wasserkraft nimmt ab (5, S. 327). Hinzu kommt die Abnahme der Schneeschmelze durch weniger Schneeverfügbarkeit. Infolgedessen wird der Abfluss hauptsächlich durch Regenniederschläge dominiert (5, S. 323f). Dazu kommt jedoch die prognostizierte Abnahme der Abflüsse im Sommerhalbjahr durch verringerte Niederschläge, höhere Verdunstung und frühere sowie geringere Schneeschmelze (2, S. 32). Infolge dieser Kombination wird die Energieerzeugung durch Wasserkraft im Sommer zurückgehen (1, S. 38). Zudem könnte die für die Energiewasserwirtschaft kritische Pflichtwassermenge unterschritten werden (2, S. 33).

Andere Auswirkungen des Klimawandels auf die Wasserkraft

Die Wasserkraft hängt direkt von den Abflüssen ab. Klar ist, der Klimawandel führt zu einer Veränderung der Menge und zeitlichen Verteilung des Abflusses, die sich auf die Energieerzeugung auswirken und langfristige Herausforderungen für die Wasserkraft darstellen (7, S. 128-129). Weitere Folgen des Klimawandels im Zusammenhang mit dem voranschreitenden Rückgang von Gletschern und Permafrost sind die zunehmende Lockerung von Gesteinsmaterial (2, S. 34) und die Zunahme des Geschiebepotenzials (1, S. 36). Der Stabilitätsverlust des Gesteins infolge des Abschmelzens von Eis kann häufigere und größere gravitativen Massenbewegungen wie Steinschläge, Felsstürze oder Murgänge zur Folge haben. Durch den Eintrag von Feststoffen und mobilisiertem Gesteinsmaterial in Gewässer und bei Extremereignissen können Abflussbehinderungen verursacht und Material in Stauseen transportiert und abgelagert werden (2, S. 34/35 / 6, S. 21). Daraus können betriebliche Einschränkungen oder Schäden an den Kraftwerken resultieren (7, S. 128-129). Folglich erhöht sich der Aufwand für Unterhaltungs- und Schutzmaßnahmen an Wasserkraftanlagen sowie die Absicherung der Infrastruktur (2, S. 36).

Das Thema Wasserkraft & Klimawandel ist komplex und hier noch längst nicht erschöpfend abgedeckt. Die Szenarien zeigen aber recht eindeutig in Zukunft heißere und trockenere Sommer in ganz Österreich, auch in Tirol. Wir werden unser Wasser in Zukunft dringend für alles andere brauchen als die Stromproduktion. Und es stellt sich die Frage, ob man mitten in der Klimakrise und inmitten sich ständig ändernder Prognosen weiterhin so einseitig wie in Tirol seine Stromproduktion auf eine einzige Karte setzen sollte.

Quellen & Links

  1. Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (2017): Die österreichische Strategie zur Anpassung an den Klimawandel. Teil 1 – Kontext. – Wien.
  2. Climate Change Centre Austria (CCCA) (2023): Klimastatusbericht Österreich 2022. – Wien.
  3. Lieb, G.K. & Kellerer-Pirklbauer, A. (2023): Gletscherbericht 2021/22. – In: Bergauf, 78(2), 10-21).
  4. Lebiedzinski, K. & Fürst, J. (2018): Entwicklung der alpinen Abflussregime in Österreich im Zeitraum 1961–2010. – In: Österr Wasser- und Abfallw, 70, 474–484.
  5. Koch, F., Bach, H., Prasch, M., Weber, M., Braun, L. & Mauser, W. (2011): Klimawandel und Energie – Einfluss der Schnee- und Gletscherschmelze auf die Wasserkraft im Einzugsgebiet der Oberen Donau. – In: Korrespondenz Wasserwirtschaft, 4(6), 319-328.
  6. Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft & Österreichischer Wasser- und Abfallwirtschaftsverband (ÖWAV) (2008): Auswirkungen des Klimawandels auf die österreichische Wasserwirtschaft. – Wien, 204 S.
  7. Hauenstein, W. (2009): Wasserkraft und Klimawandel. – In: Wasser, Energie, Luft, 101(2), 127-132.
  8. IPCC (2022): Climate Change 2022: Impacts, Adaptation and Vulnerability. Contribution of Working Group II to the Sixth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change. – Pörtner, H.-O., Roberts, D.C., Tignor, M., Poloczanska, E.S., Mintenbeck, K., Alegría, A., Craig, M., Langsdorf, S., Löschke, S., Möller, V., Okem, A. & Rama B. (Hrsg.). Cambridge University Press. Cambridge University Press, Cambridge, UK and New York, NY, USA, 3056 S.
  9. Informationsdialog Ötztal vom 24.01.2024 in der Gemeinde Längenfeld. Online unter https://www.tiwag.at/uploads/tx_bh/1682/tiwag_240124_kurzzusammenfassung_infodialog_oetztal.pdf?mod=1707216068 (zuletzt abgerufen am 10.03.2024).
  10. Helfricht, Kay & Schneeberger, Klaus & Welebil, Irene & Formayer, Herbert & Huttenlau, Matthias & Schneider, Katrin. (2014). Abflussszenarien im Einzugsgebiet der Ötztaler Ache unter Berücksichtigung von zukünftigen Veränderungen der Kryosphäre.
  11. Geosphere Austria, Neoklima – Niederschlag https://www.zamg.ac.at/cms/de/klima/informationsportal-klimawandel/klimavergangenheit/neoklima/niederschlag (zuletzt abgerufen am 18.03.2024)
  12. Heimische Wasserkraftwerke produzierten im Juli wegen Hitze 31 Prozent weniger Strom, Der Standard, 25. August 2022

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