Ausbau Kraftwerk Kaunertal – ein Überblick
Für alle, die vielleicht neu in dem Thema sind, fassen wir hier das Ausbauprojekt Kraftwerk Kaunertal im Tiroler Oberland noch einmal zusammen. Schaut euch auch unser Video an, in dem Marianne Götsch vom WWF das Projekt erklärt.
Der grundsätzliche Plan ist es, das bestehende Speicherkraftwerk Kaunertal zu „erweitern“, oder eigentlich: Ein Kraftwerksnetz zu bauen, das fast das gesamte Tiroler Oberland überspannen würde. Drei neue Kraftwerke würden gebaut werden, ein Großteil des Ötztaler Wassers würde dem Tal entzogen und ein fast unberührtes alpines Hochtal geflutet werden.
Übersicht Bestand
Das Speicherkraftwerk Kaunertal wurde in den 60er Jahren gebaut und wird aus einem großen Stausee (Gepatschspeicher) gespeist. Es werden 11 Bäche aus 3 verschiedenen Einzugsgebieten in den Stausee (bzw. direkt in den Druckschacht) geleitet. Um Strom zu produzieren wird das Wasser nach Prutz abgearbeitet, das ca. 700m tiefer liegt, und danach in den Inn geleitet. Das Kraftwerk hat eine Regeljahreserzeugung von 661 GWh (also ganz schön viel). Es zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass der Gepatschspeicher so viel Wasser fassen kann, dass es einen Teil seiner Stromproduktion vom Sommer in die Wintermonate verlagern kann (in denen Laufkraftwerke wegen der niedrigen Pegel der Flüssen wenig Strom liefern).
Die Ausbaupläne im Detail
Sowohl die Landesregiegierung als auch renomierte Medien sagen oft, das Kraftwerk Kaunertal solle „zu einem Pumpspeicher ausgebaut“ werden. Dies greift viel zu kurz, geplant sind 3 neue, große Kraftwerke mit unterschiedlichen Funktionen.
Der Pumpspeicher & das Platzertal
Eines davon soll ein Pumpspeicher werden. Westlich vom bestehenden Gepatsch Stausee liegt auf der anderen Seite des Berges das Platzertal auf ca. 2100 Metern Seehöhe. Dieses soll mit einem 119m hohen und ca. 450m breiten Damm abgeriegelt und dann geflutet werden, damit zwischen dem Gepatsch Stausee und dem neuen Reservoir gepumpt werden kann. Das Kraftwerk dazu heißt Versetz und soll ca. 400MW Leistung im Turbinenbetrieb haben.
Nur das ist der Pumpspeicher. Und dieser wird laut einer energiewirtschaftlichen Analyse nicht zwingend gebraucht. Einerseits, weil die Dichte an Speicher- und Pumpspeicherkraftwerken in Westösterreich ohnehin schon sehr hoch ist. Und zweitens weil diese Art der Energiespeicherung zunehmend in Konkurrenz zu Batteriespeichern steht. Die Analyse wurde vom Energiewirtschaftler und Geschäftsführer der Firma e3 consult Dr. Jürgen Neubarth erstellt, ihr findet sie hier. Weiter entspricht es nicht mehr dem Stand der Technik, ein ganzes Tal zu opfern, um Energie zu speichern. Stand der Technik ist es, stattdessen bestehende Reservoire zu verbinden. Übrigens würde die Funktion des Gepatschspeichers als Jahresspeicher durch das Pumpspeicher-Kraftwerk sogar eingeschränkt, weil Platz im Gepatsch Stausee frei gehalten werden müsste, um das Volumen aus dem Platzertalspeicher aufnehmen zu können.
Das Platzertal beherbergt eine hochalpine Moor- und Feuchtgebietslandschaft, die zu großen Teilen verloren gehen würde. Diese ist ein Biodiversitäts-Hotspot und speichert außerdem sehr viel CO2, das freigesetzt werden würde, wenn man das Platzertal in einen Stausee verwandeln würde.
Das Ötztaler Wasser zum Gelddrucken
Zusätzlich zum Versetz Pumpspeicher sollen noch zwei weitere Kraftwerke gebaut werden, die mit dem Wasser aus dem Gepatsch Stausee betrieben werden sollen, eines in Prutz (Prutz II) und eines in Imst (Imst II).
Zur Zeit werden nach Prutz ca. 50m³/s Wasser abgearbeitet, in Zukunft sollen noch 70m³/s dazu kommen. Der Druckschacht vom Gepatsch Stausee nach Prutz ist schon jetzt auf ca. 120m³/s Wasser ausgelegt.
Das zusätzliche Wasser, das also benötigt wird, soll aus dem zwei Täler östlich gelegenen Ötztal kommen. Hier sollen die Venter Ache und Gurgler Ache gefasst werden und ihr Wasser soll in den Gepatsch Stausee geleitet werden, bis zu 80m³/s insgesamt. Diese enorme Wassermenge wird aber nicht mehr gebraucht, um den Gepatschspeicher für den Winter zu füllen – denn das schaffen schon die Bäche, die für das bestehende Kraftwerk gefasst wurden. Zur Zeit kann der Gepatsch Stausee pro Jahr ca. 2,3 Mal komplett gefüllt werden, mit dem Ötztaler Wasser ginge es ca. 4,4 Mal (1). Ein riesiger Überschuss also, mit dem hauptsächlich im Sommer zusätzlicher Strom erzeugt werden kann. Zusätzlicher Strom, der den Sommerüberschuss der Tiroler Wasserkraft noch mehr verstärkt, und der deshalb großteils exportiert werden würde.
Für das Ötztal, seine Bevölkerung, die Landwirtschaft und den Tourismus würden diese Ausleitungen einen gravierenden Wasserraub bedeuten. Der sich nicht mit Geld kompensieren ließe, denn Wasser kann man nur mit Wasser kompensieren. Und er wäre für 90 Jahre festgeschrieben, wenn das Projekt genehmigt werden würde.
Die ökologisch wertvollen Strecken der Venter, Gurgler und Ötztaler Ache, würden zerstört und zu Restwassergerinnen degradiert werden. Bis zu 80% ihres Wassers würde ihnen fehlen.
Jahrelange Großbaustelle im Kaunertal
Das Kaunertal wird quasi die zentrale Baustellenzufahrt. Der gesamte LKW Verkehr, der notwendig ist, um die Baustelle im Platzertal zu versorgen wird durch das Kaunertal fahren und dann über einen eigens dafür angelegten Tunnel weiter ins Platzertal. Auch werden riesige Materialdeponien benötigt, geplant ist eine Gesamtfläche von 16,8 ha, die im Bereich des Kaunertals vorgesehen sind.
Auswirkungen auf den Inn
Hundertzwanzig Kubikmeter Wasser pro Sekunde sollen in Zukunft vom Gepatschstausee zum Inn abgearbeitet werden können. Und die sollen ohne Schwallausgleich in den Inn oberhalb des bestehenden Runserauer Wehrs geleitet werden. Das heißt also, immer wenn Turbinen ein- oder abgeschaltet werden, um (abhängig vom Strommarkt) mehr oder weniger Strom zu erzeugen, landet diese Änderung der Wassermenge unabgeschwächt im Flussbett des Inn. Dieser wird damit zwischen Prutz und dem 4km flussabwärts gelegenen Runserauer Wehr zum Schwall-Auffang-Becken, und damit ökologisch völlig zerstört.
Beim Runserauer Wehr würde dieses Wasser dann direkt wieder eingezogen und nach Imst abgearbeitet werden. Und in Imst greifen die Pläne Ausbau KW Kaunertal dann in die Pläne für das Kraftwerk Imst-Haiming, die vorsehen, das Wasser von Imst weiter bis Haiming auszuleiten und dort an den Inn zurück zu geben.
Die Eckdaten des Projekts
Hier eine Liste, was gebaut werden würde, inklusive einiger Zahlen zu den Auswirkungen:
- 2 Tiroler Wehre als Wasserfassungen am Königsbach und Ferwallbach (beides Zuflüsse der Gurgler Ache) ((5) S. 8)
- 2 Betonsperren (je 25m hohe Gewölbemauern als Wasserfassung an der Gurgler sowie Venter Ache) ((5) S. 8)
- Degradierung der Venter Ache, der Gurgler Ache und der Ötztaler Ache zu Restwassergerinnen und die damit verbundenen massiven Eingriffe in den Wasserhaushalt des gesamten Ötztals ((7) S. 4) – insgesamt werden ca. 90 Flusskilometer zu Restwasserstrecken
- ein neuer Speichersee im Platzertal mit einem Nutzinhalt von rund 42 Millionen Kubikmeter und einem 119m hohen Staudamm ((3) S. 1)
- Zerstörung des Platzertal-Hochtales, und insbesondere von 6,3 Hektar Moorlandschaft
- 3 neue Kraftwerke (Versetz, Prutz 2 und Imst 2) ((5) S. 4)
- 4 neue Tunnel von insg. ca. 47km Länge ((5) S. 4, 5 und 8)
- Zerstörung der ökologischen Funktionsfähigkeit des Inn auf rund 4,2 Kilometern Länge ((7) S. 4)
- Errichtung zahlreicher Baustellen und Bauhilfseinrichtungen während der jahrelangen Bauphase und verschiedenste Begleitmaßnahmen wie z.B. riesige Schwallausgleichsbecken oder Materialdeponien mit einer Gesamtfläche von 16,8 Hektar ((3) S. 2 & (7) S. 1)
Quellen & Links
- (1) Energiewirtschaftliche Einordnung Pumpspeicherkraftwerk Versetz mit Speicher Platzertal, Studie im Auftrag des WWF Österreich, Dr. Jürgen Neubarth, 2023
- (2) TIWAG Website: Ausbau KW Kaunertal
- (3) TIWAG- Tiroler Wasserkraft AG, Innsbruck; Ausbau Kraftwerk Kaunertal – Stellungnahme der Landesumweltanwaltschaft gemäß § 5 Abs 4 UVP-G 2000, 2012
- (4) Berufung gegen den Feststellungsbescheid der Tiroler Landesregierung bezüglich des Vorhabens „Wasserkraftanlage Ötztaler Ache, Tumpen – Habichen“, 2013
- (5) Hydropower Sustainability Assessment Protocol (HSAP) – Kaunertal Expansion Project, 2017
- (6) Freirad Radiopodcast Lichtgabel: Ötztal – Ohne Wasser, Regula Imhof, 2019
- (7) TIWAG – Ausbau Kraftwerk Kaunertal (AK) – Stellungnahme des Landesumweltanwaltes zur vorliegenden UVE gemäß § 5 Abs 4 UVP-G 2000, 2019
- (8) TIWAG Informationsdialog Oberes Gericht, Jänner 2024, Prutz